Die Nachtpredigt

Quelle: "GEJ 1, Kapitel 220 und 221 ", Lorber Verlag Bietigheim

Gespräch zwischen Jesus und Ahab
Ahab: stammt aus Bethlehem, ehemaliger Pharisäer von Jeseira, der vom Herrn berufen wird

220. Ahabs Verwunderung über die göttliche Weisheit. Selbsterkenntnis tut vor allem not. »Seid nicht bloß Hörer, sondern Täter des Gottesworts!« Die wahre lebensvolle und selige Ruhe in Gott. Warnung vor langem Schlafen und vor den Müßiggang.

[1] Sagt Ahab: >>O Weisheit, o Weisheit! was für Hohes und Wahres fassest du in dir. und wie ungeheuer dumm ist unsereins dagegen! Es ist eine Wahrheit, daß nirgends etwas entstehen kann, Wenn zuvor nicht eine kämpfende Tätigkeit vorausgeht und ich wollte doch nun sogleich zu den Bethlehemniten gehen und sie zu beleuchten anfangen! O ich Mittelpunkt aller Dummheit! Sagen doch die Weisen der Griechen: >Jede Tätigkeit wird durch einen Kampf bedingt, und jeder Effekt ist die Folge dessen!.<, - und ich sah das nicht ein! Wie kommt es, daß ich's nun einsehe?!

[2] Ja, so beim Menschen in seinem Innern nicht ein rechter Kampf mit sich selbst und seinen verschiedenen Lebenselementen vorangeht ist alles eitel, was man mit ihm von außen her vornimmt.'

[3] Ich bin nun völlig im klaren über die instruktiven Lebensverhaltnisse des Menschen, und ich möchte hier beinahe einen Hauptlebensgrundsatz aufstellen und glaube, daß ich das Ziel eben nicht zu weit verfehlen dürfte!« Sage lch: »Laß ihn hören' Ich will ihn in Mir nicht eher beschauen, als bis du ihn ausgesprochen hast. '

[4] Sagt Ahab. >>Was sich der Mensch von seinen ihm vom Anbeginne verliehenen Eigenschaften nicht zuvor selbst gegeben hat, das kann, ohne ihn zu verderben, ihm kein Gott geben! Gott sind wohl alle Dinge möglich; aber der Mensch gewinnt dabei nichts!

[5] Wer sich zuvor nicht selbst erkennt, wie soll er jemand andern und endlich gar Gott erkennen?! - Das wäre mein Grundsatz. Herr, bin ich weit vom Ziele?«

[6] Sage Ich: »Nein, Freund Ahab, wahrlich, du hast nun den Nagel fest auf den Kopf getroffen; also ist es! Was sich der Mensch mit seinen ihm verliehenen Kräften nicht als selbsttätig verschafft, das kann und darf ihm auch Gott nicht verschaffen, ohne ihn zu richten!

[7] Darum seid denn auch alle nicht eitel pure Hörer Meines Wortes, sondern eifrige Täter desselben, so werdet ihr erst dessen Segnungen in euch wahrzunehmen anfangen!

[8] Denn das Leben ist ein T u n und kein Müßigstehen der Kräfte, durch die das Leben bedingt ist, und so muß das Leben auch durch die gleichfort währende Tätigkeit der sämtlichen Kräfte desselben sogar für ewig erhalten werden; denn in dem Sich-zur-Ruhe-Legen waltet kein bleibend Leben.

[9] Das gewisse Wohlgefühl, das euch die Ruhe beut, ist nichts als ein teilweiser Tod der zum Leben erforderlichen Kräfte; wer dann stets mehr und mehr an der tatenlosen Ruhe, besonders der geistigen Lebenskräfte, ein behagliches Wohlgefallen findet, der schiebt sich dadurch eben auch stets mehr dem wirklichen Tode in die Arme, aus denen ihn auch kein Gott garzu leicht mehr befreien wird!

[10] Ja, es gibt auch eine rechte Ruhe voll Lebens; aber die ist in Gott und ist für jeden Menschen ein unnennbar beseligendes Gefühl der Zufriedenheit, nach dem Willen Gottes tätig zu sein.

[11] Dieses beseligendste Zufriedenheitsgefühl und die klarste Erkenntnis, wahrhaft nach der Ordnung Gottes gleichfort gehandelt zu haben,ist die bewußte rechte Ruhe in Gott, die allein voll Lebens ist, weil voll Tatkraft und Handlung danach. Jede andere Ruhe, die in einem Aufhören der Lebenskräfte besteht, aber ist, wie schon gesagt, ein wahrer Tod insoweit, als inwieweit die verschiedenen Lebenskräfte sich der Tätigkeit entzogen haben und dieselbe nicht wieder ergreifen. - Verstehet ihr solches?«

[12] Sagt Judas Ischariot: »Herr, wenn so, da sollte der Mensch den Schlaf fliehen wie eine Pestilenz; denn der Schlaf ist doch auch eine Ruhe von einer Anzahl, wennschon äußerer Lebenskräfte!«

[13] Sage Ich: »Allerdings! Darum werden Langschläfer auch nie ein besonders hohes Alter erreichen. Wer seinem Leibe in der Jugend fünf Stunden und im Alter sechs Stunden Schlafruhe gönnt, der wird auch zumeist ein hohes Alter erreichen und wird lange ein jugendliches Aussehen behalten, während ein Langschläfer bald altert, ein faltiges Gesicht und graue Haare bekommt und im etwas vorgerückten Alter wie ein Schatten einhergeht.

[14] Wie aber der Leib durch zu vielen Schlaf stets mehr und mehr tot wird, ebenso und noch bei weitem mehr wird es die Seele, wenn sie und mehr und mehr nachläßt in ihrer Tätigkeit nach Meinem Worte und Willen.

[15] Wo aber der Müßiggang sich einmal in eine Seele eingenistet hat, da nistet sich auch bald das Laster ein; denn der Müßiggang ist nichts als eine sich selbst wohltuende Liebe, die jede Tätigkeit für jemand anderen um so mehr flieht, weil sie im Grunde des Grundes nur das will, daß alle anderen zu ihren Gunsten und Nutzen arbeiten sollen!

[16] Darum hütet euch auch insbesondere vor dem Müßiggang; dieser ist ein wahres Samenkorn für alle möglichen Laster!

[17] Als Beispiel mögen euch die verschiedenen Raubtiere dienen.Sehet diese Tiere setzen sich nur dann in eine verderbenbringende Tätigkeit, wenn sie ein brennender Hunger antreibt; haben sie einen Fraß erbeutet und ihren Hunger gestillt, so begeben sie sich alsbald wieder in ihre Höhlen und ruhen da oft tagelang, besonders die Schlangen.

[18] Betrachtet nun einen Räuber und Mörder dagegen! Dieser sonst aller Arbeit scheue Mensch, eigentlich Teufel im Fleische, liegt tagelang in irgendeinem seiner Raubnester; nur wenn die Laurer ihm vermelden, daß eine reiche Karawane bei seinem Raubneste vorüberziehen werde, da erst setzt er sich mit seinen Gesellen auf die Mitlauer und fällt dann die kommende Karawane rücksichtslos an und raubt sie aus und ermordet die Kaufleute, auf daß er nicht verraten werden möchte! Und das ist eine Frucht des Müßiggangs.

[19] Darum noch einmal gesagt: Hütet euch vor allem vor dem Müßigang; denn er ist der Weg und die breite Tür zu allen erdenklichen Lastern!

[20] Nach getaner Arbeit ist eine mäßige Ruhe gut den Gliedern des Leibes, aber dafür eine übermäßige schlechter als gar keine.«

221. Vom Übel der Trägheit und vom Segen der Tätigkeit. Wanderwinke. Laue und scharfe Regenten. Maria und Thomas. Aufzeichnung dieser Lehre von der Tätigkeit , genannt »die Nachtpredigt« - durch Matthäus. Warum diese Aufzeichnung verlorenging.

[1] (Der Herr:) »So jemand einen weiten Weg zurückgelegt hat zu Fuß und erreicht endlich eine Herberge, so wird er, wenn er in der Herberge sich nicht alsobald zur Ruhe begeben wird, sondern kleine Bewegungen machen und am nächsten Tage schon vor dem Aufgange auf den Füßen sein wird, den ganzen Tag über von keiner Müdigkeit etwas verspüren, und je länger er also seine Reise fortsetzen wird, desto weniger müde wird sie ihn machen.

[2] So aber jemand ebenso stark ermüdet vom Tagesmarsche auf eine Herberge kommt, sich sogleich auf ein Lager hinwirft und dasselbe gar erst am Mittag des nächsten Tages verläßt, so wird er mit völlig steifen Füßen und mit einem völlig betrunkenen Kopfe seine Weiterreise fortzusetzen anfangen und wird nach einer Strecke zurückgelegten Weges sich vor lauter Müdigkeit nach einer Ruhe sehnen, und es kann am Ende sogar geschehen, daß er am Wege liegenbleibt und allda verkümmert, so ihm niemand - was leicht möglich - zu Hilfe kommt.

[3] Was aber schuldet daran? Seine eigene zu große Ruhelust und der mit derselben verbundene Wahn, daß die Ruhe den Menschen stärke.

[4] So jemand in einer oder der andern Kunst, dazu Hand- und Fingergeschicklichkeit in hohem Grade erfordert werden, eine große, staunenerregende Fertigkeit erreichen will, Frage: Wird er diese je erreichen, so er an der Stelle des unausgesetzten fleißigen Übens an jedem Tage seine Hände und Finger in die Taschen steckt und Tag für Tag fein müßig herumwandelt aus einer Art vorsichtiger Furcht, seine Hände und Finger nicht zu ermüden und sie für die anzustrebende Künstlerschaft ja etwa nicht zu steif und unfähig zu machen?

[5] Wahrlich, da könnte Ich Selbst bei aller Meiner unbegrenzten Weisheit nicht einen Propheten machen und die Zeit festsetzen, in der solch ein Kunstjünger ein Virtuose wird! Daher, Meine lieben Freunde und Brüder, sage Ich euch wiederholt:

[6] Nur Tätigkeit über Tätigkeit zum allgemeinen Wohle der Menschen! Denn alles Leben ist eine Frucht der beständigen und nie zu ermüdenden Tätigkeit Gottes und kann daher nur durch die wahre Tätigkeit erhalten und für eine ewige Dauer bewahrt werden, während aus der Untätigkeit nichts als der Tod zum Vorschein kommt und kommen muß.

[7] Leget eure Hände auf euer Herz und merket es, wie es in einem fort Tag und Nacht tätig ist! Von solcher Tätigkeit aber hängt ja das Leben des Leibes alleinig ab; so das Herz aber einmal stillzustehen anfängt, da - meine Ich - dürfte es etwa mit dem natürlichen Leben des Leibes wohl gar sein!

[8] Wie aber die Ruhe des leiblichen Herzens offenbar der volle Tod des Leibes ist, also ist auch die gleiche Ruhe des Seelenherzens der Tod der Seele!

[9] Das Herz der Seele aber heißt Liebe, und das Pulsen desselben spricht sich in wahrer und voller Liebtätigkeit aus.

[10] Die unausgesetzte Liebtätigkeit ist demnach der nie zu ermüdende Pulsschlag des Seelenherzens. Je emsiger aber das Herz der Seele pulst, desto mehr Leben erzeugt sich in der Seele, und so dadurch ein hinreichend hoher Lebensgrad in der Seele sich erzeugt hat, so, daß er dem göttlichen, allerhöchsten Lebensgrade gleichkommt, so weckt solch ein Lebensgrad der Seele das Leben des göttlichen Geistes in ihr.

[11] Dieser - als pur Leben, weil die unermüdete höchste Tätigkeit selbst - ergießt sich dann in die ihm durch die Liebtätigkeit gleichgeworde Seele, und das ewig unverwüstbare Leben hat in der Seele seinen volle Anfang genommen!

[12] Und sehet, das kommt alles von der Tätigkeit, nie aber von einer faulen Ruhe her!

[13] Daher fliehet die Ruhe und suchet die volle Tätigkeit, und euer Lohn wird sein das ewige Leben!

[14] Glaubt ja nicht, daß Ich etwa gekommen sei, den Menschen auf dieser Erde den Frieden und die Ruhe zu bringen; o nein, sondern das Schwert und den Krieg!

[15] Denn die Menschen müssen durch Not und Drangsale aller Art zur Tätigkeit angetrieben werden, ansonst sie zu trägen Mastochsen würden, die sich selbst mästeten zum Fraße für den ewigen Tod!

[16] Not und Drangsal bewirken im Menschen ebenfalls eine Gärung um die andere, aus welcher sich am Ende doch etwas Geistiges entwickeln kann.

[17] Man könnte freilich wohl sagen: >Durch Not und Drangsal aber, werden auch Zorn, Rache, Mord und Totschlag erzeugt und Neid, Hartherzigkeit und Verfolgung!< Das ist allerdings wahr; aber so arg alle diese Dinge sind, so sind sie dennoch ob des Erfolges besser als die faule Ruhe, die tot ist und weder etwas Gutes noch etwas Böses bewirkt.

[18] Darum sage Ich euch: Entweder sei jemand gegen Mich vollends warm oder vollends kalt; denn einen Lauen will Ich aus Meinem Munde speien!

[19] Ein energischer Feind ist Mir lieber als ein lauer Freund; denn der energische Feind wird Mich nötigen zu aller Tätigkeit, auf daß Ich ihn entweder gewinne oder die rechten Wege einschlage, um ihn für Mich durch alle Zeiten unschädlich zu machen; neben einem lauen Freunde aber werde Ich Selbst lau, und wenn Mich eine Not träfe, wird Mir der laue Freund zu etwas nütze sein?!

[20] Darum ist auch ein lauer Regent eine Pest für sein Volk; denn da vermodert des Volkes Geist, und aus den Menschen werden lauter Freßochsen und Lastesel! Aber ein scharfer und sogar tyrannischer Regent macht das Volk lebendig, und es ist alles voll Tätigkeit, um nur in keine Strafe zu verfallen; und treibt es ein Tyrann zu toll, so wird das Volk sich endlich in Massen erheben und wird sich von seinem Peiniger befreien.

[21] Ich meine nun, über den Wert der Tätigkeit hinreichend gesprochen zu haben, und bin überzeugt, daß ihr alle diese Lehre verstanden habt. Darum, so jemand will und in sich ein Bedürfnis zur Schlafruhe seines Leibes fühlt, der suche sich ein Lager; der aber mit Mir die Nacht über wachen will, der bleibe hier!« Da sagten alle: »Herr, so Du wachest, wie könnten wir da schlafen?! - Nur die Mutter Maria scheint der Leibesruhe zu bedürfen, und so könntest Du sie wohl schlafen heißen.«

[22] Aber die Maria, obschon sie hinter Mir auf einem Lehnstuhle ein wenig schlummerte, vernahm dennoch diese Rede, richtete sich auf und sagte zu dem Redner in aller Freundlichkeit: »Freund, der du gewöhnlich deinen Mund für alle deine Mitjünger auftust, ich sage dir, daß deine Sorge um mich ein wenig eitel ist; denn sieh, ich habe meinem Herrn zuliebe wohl schon mehrere Hunderte von schlaflosen Nächten durchwacht, und ich lebe noch - und werde noch so viele durchwachen und darob das Leben nicht verlieren, so es Sein Wille ist! Daher kümmert ihr euch alle um mich nicht; es ist genug, daß Einer meiner gedenkt!«

[23] Es war aber dies der Thomas, an den diese Worte gerichtet waren. Dieser aber kam zur Maria und bat sie, daß sie ihm seine gute Meinung nicht ungütig aufnähme. Maria aber tröstete ihn und war sehr freundlich ob seiner Sorge um sie, und dem Thomas ward es wieder leichter ums Herz, daß er alsbald wieder ganz beruhigt seinen Platz einnahm.

[24] Es trat nun auf eine Zeit eine Stille ein. Niemand redete ein Wort; denn sie alle dachten nun viel darüber nach und fanden die Wahrheit des Gesagten stets heller und heller leuchtend.

[25] Nur Matthäus sagte nach einer Weile für sich selbst: »Morgen beim ersten Tagesanbruch wird diese Lehre von der Tätigkeit und von der Ruhe, so gut es geht, niedergeschrieben auf eine eigens bloß für diese Lehre bestimmte Platte; denn diese über alles wichtige Lehre darf um keinen Preis der Welt verlorengehen!« Und als es dann bald darauf zu tagen begann, so hielt Matthäus auch sein Wort; und es hat sich diese Lehre für sich dann lange erhalten und ist durch Jonael und Jairuth auch nach Samaria überbracht worden, ward aber mit der Zeit sehr entstellt und ging darum auch verloren. Solange sie aber noch gang und gäbe war, kursierte sie unter dem Namen »die Nachtpredigt« im Volke.