74. Auf der Kleinalpe.
(Am 15. Juli 1841.)

Am 14. Juli 1841 bestiegen L.B.J. und A.H. bei günstiger Witterung die höchste Spitze der Kleinalpe, und verweilten - eines anhaltenden kalten Sturmes aus Westen ohngeachtet - drei Stunden auf der Höhe, von wo aus die bedeutendsten Hochgebirge der Obersteiermark, wie auch die Städte Judenburg und Leoben deutlich erblickt werden konnten. - Am 15. Juli ergieng dann an den Knecht des Herrn folgende Mahnung:

Schreibe, es ist ein lieblich Wort, wohl zu vernehmen von den Höhen der Berge auf den freien schönen Höhe der Kleinalpe:

Was starrst du, müde Schaar, dahin nach jener Berge Reihen,
Da schroffe Scheitel Mir, dem Schöpfer, ihre Düfte weihen?
Erkenne deine Schuld, und lern' es wohl von diesen Helden,
Was All's sie dir von deinem Vater, ihrem Schöpfer, melden,
Wie kühn und mächtig sie da stehen, diese großen Zeugen!
Un wollen nimmer, so wie ihr, von Meiner Größe schweigen!
Um ihre heil'gen Spitzen häufig frohe Nebel kreisen,
Und helfen dankend ihnen still den großen Vater preisen;
Und heit're Winde rauschen mächtig über hohe Zinnen,
Um anzuzeigen, daß die Felsen da Mein Lob beginnen.

Es banget dir, du matter Seher, vor den ries'gen Höhen,
Du Schauerst, wenn der Alpe reine Geister dich umwehen,
Als kühle Winde deinem Auge manche Thrän`entlocken;
Doch wenn du sehen möchtest, da Eonen weißer Flocken
Sie emsig aus den müden Wolken freudig formen, bilden,
Und dann sie sorglich streu'n auf all' den hohen Moosgefilden,
Und möchtest sehen noch all' dieß mit deines Geistes Augen
Und schaun, wozu all' diese Geisterarbeit möchte taugen -
Sodann erst möcht'st du rufen: Wer da achtet Gottes Werke!
Hat eitle Lust; sie zeigen ihm des heil'gen Vaters Stärke! -

Ihr habt geseh'n des Oberlandes kühn gestellte Berge,
Und auch geschaut auf deren Schooß die nied'ren, stein'gen Zwerge,
Den hohen "Schwab" und "Reiting" saht ihr Alle duftend prangen,
Den "Pred'ger=Stuhl" und and're Berge, die mit Wolken rangen,
O höret diese selt'nen hohen Berggebilde sprechen! -
Vernehmet ihr Wort' in eures stein'gen Herzens sand'gen Schwächen!
Es lautet kurz also: "Du schwacher Mensch auf dieser Erde!
"Du schaust ganz wonnetrunken, stumm für unsere Beschwerde
"Die hehre Pracht an uns; doch würdest du uns näher treten,
"Dann möch'st du schauern wohl vor unsern schweren Prüfungsketten!"

Und also weiter legen Worte auch an's Herz die Berge,
Also verständlich: "Seht uns an und schaut die alten Särge,
"Wie wir da steh'n und majestätisch in die Lüfte ragen,
"Also auch eine Unzahl Todter stets in uns wir tragen,
"Und wenn die Barmlieb' Gottes uns nicht möchte kühlen,
"Fürwahr: des Grimmes Wüthen würde bald das Land erfüllen,
"Denn die wir fest in unsern harten Leibern müssen halten,
"Die möchten flammend hier in einer Stund' die Erd' umstalten;
"Doch solches zu verhüten und zu wahren euch den Frieden,
"Da tragen wir an eurer Statt die große Last hienieden!" -

O lass't der Berge mächt'ge Worte tief in's Herz euch bohren,
Denn wieder weiter legen sie die Zung' an eure Ohren,
Also vernehmlich: "Wenn die Nebel uns behend umkreisen,
"Verhüllend unsre hohen Scheitel; sehet, da beweisen
"Gar hehre Wesen mächtig uns schon alte Todtenwächter,
"Und sänften da mit ihrer Lieb' in uns die Gottverächter
"Durch ungezählter Thränen Menge aus der Liebe Augen,
"Die da in uns der Liebe Spende sorglich in sich saugen,
"Die werden dann erweckt, auch zu ersteh'n in's freie Leben,
"Und nach und nach in's höh're, wie's euch Menschen ist, gegeben." -

Und da der Berge Mund für euch schon einmal offen stehet,
So horcht noch ferner, was der Hohen Hauch zu euch hinwehet:
"Wenn mächtig über unsre Häupter frische Winde eilen,
"Daß ihr darob auf uns nicht lange könntet forschend weilen,
"Da ist's, daß Legionen neue Leben sich erheben,
"Und sorglich weilend nach den pflanzenreichen Eb'nen streben,
"Um solches vorbestimmte Ziel baldmöglichst zu erreichen,
"Vereinen sie zu Nebeln sich nach alten Lösgebräuchen,
"Und fallen dann als leichter Regen über Pflanzentriften,
"Allda sie neubelebend selbst sich in das Leben lüften!

"Und wenn im spät'ren Herbst die frühen Flocken uns bekleiden,
"Darob uns dann all' warmes reges Leben pflegt zu meiden,
"Ja selbst so manche heit're Quelle eisig stockt im Fallen,
"Und also All's verstummt auf unsren freien Lebenshallen,
"Da winkt dir, Forscher, eine neue Zeit, ihr treu zu bleiben
"Mit deinem Aug' und Ohre; denn da fängt sich's an zu treiben
"Hinauf, hinab; nach allen Seiten siehst du nichts als streben
"Nach einer festen Form, um so zu künden sich als Leben;
"Denn solches ist die Heimwehzeit , da Alles sich möcht' finden,
"Darum da jeder Geist sich gerne läßt durch and're binden.

"Und wenn dann erst der volle treue Winter ist bekommen,
"Alsdann wird nicht gar selten uns're feste Brust beklommen,
"Denn da ereilen uns des hohen Nordens Friedensrichter,
""Bestreuen uns're tiefen Furchen bald durch ihr Gelichter
"Von tiefem Schnee und starrstem Eise, uns zur Probe drückend;
"O seht, dann ist's, auf unsren Höh'n zu wandeln nicht entzückend,
"Denn da wird jedes freie Leben also hart ergriffen,
"Daß es wohl nimmer fühlen mag der Liebe süßes Triefen;
"Und wenn des Frühlings Hauch zerreißet auch des Nordens Bande,
"Da kehrt kein Leben mehr zurück zum frühern Heimathlande!

"Nur wenn das stumme Schnee- und Eisgelichter ist gewichen,
"Allwann ein warmer Frühling hat den Winter weggestrichen,
"Da kehret dann das Pflanzen=Leben wohlgestärket wieder;
"Doch nimmer wiederkehren da erfror'ner Vöglein Lieder,
"Selbst Menschen, die auf uns'rem Rücken hat der Nord erdrücket,
"die werden schwerlich mehr von uns'rer Sonne Strahl erquicket;
"Doch so ein freies Leben hier gefährdet ist geworden
"Durch ein zu friedsam's Walten unsres übertreuen Norden,
"Da soll darob wohl Niemand gar zu sehr uns Berge klagen,
"Denn solch' Gefang'nen fängst ein and'res Leben an zu tagen!"

1.1.1. Nachgedicht zur Kleinalpe


Und so mag dieses Liedchen euch zu einer Fahne dienen,
Mit der ihr all der Berge Sinn könnt überleicht gewinnen,
Und leichter zu verstehen auch, das Ich euch noch werd' geben;
Fürwahr, ihr werd't durch diese Fahne manchen Zweifel heben,
Denn leichter ist's: auf Berge geh'n und von da and're schauen,
Als zu versteh'n, woher auf selben rührt solch wonnig' Grauen;
Darum denn gab Ich vor der größ'ren Gabe diese Fahne
Zu Handen euch, damit sie euch getreu zuvor ermahne,
Daß Meine nächste Gabe sich in Weisheit wird ergießen,
Die ihr durch diesen Schlüssel doch gar leichtlich werd't erschließen!

Ich der Herr
Euch das bescheer!
Wollt ihr mehr,
so kommt nur her;

Der gibt gerne,
Der da lenkt die Sterne
In der weiten Ferne,
Der gibt gerne! -

Der heil'ge Vater - gut
Jedem Kind' gern Gutes thut,
Weil allein der Vater gut,
Darum Kein's wie Er es thut. -

Am Himmel wohnen
Viele Sonnen;
Engel thronen
In den Sonnen,

Auf den Sonnen,
Um die Sonnen
Ruh'n die Kronen
Aller Zonen ! _

Darum ist der Vater heilig, groß und gut,
Da er solche großen Ding' euch künden thut,
Und sagt auch allzeit Amen
Als guter Vater. Amen. -
[PsG.01_074]