49. Der Siegel=Ring.
(Empfangen vom HErrn durch J. L. am 11. Juli 1842.)

Ein scheinbar unbedeutend, nichtig Ding
Erscheint dem Aug' ein eh'rner Siegelring,
Doch wenn ein Fürst ihn trägt an seiner Hand,
Hat er ein groß' Gewicht für's ganze Land;
So ist ein Ring, den da ein Fürst getragen,
Ein großer Werth, danach in spätsten Tagen
So manche Thatenforscher eifrig fragen
Und emsigst nach solch altem Schatze jagen!

Es giebt ein Amt sogar in manchem Staat,
Das da den Namen "Siegelwahrung" hat,
Und dem da ist ein solches Amt vertraut,
Auf den der Fürst auch sicher Großes baut;
Nur eines Landes alterprobte Treuen
Ermächtiget der Fürst nach dem zu freien,
Ein Andrer mag sich da zu Tode schreien,
Nie doch wird er des Amtes sich erfreuen!

So mancher Fromme auch von Mose spricht:
"Er war des Herren Ring, ein großes Licht!"
Fürwahr! er ist dieß noch zu dieser Stund',
Ein Siegel Gottes für den alten Bund,
Den Gott in Abraham schon hat gestellt;
Und was Er diesen weislich hat erhellt,
Hat Er zu künden aller Welt erwählet
Den Mosen, ihn hat Er mit Sich beseelet!

Wenn solches aber denn von Mose gilt,
Und ist in jeglichem Profeten Moses Bild,
Nachdem in solchem Geiste Jeder spricht,
Dem Volk ist er ein unerforschlich Licht! -
Wenn nun so hoch ein Moses, der vergangen,
Warum da nicht nach dem, was da verlangen,
Warum an Mose nur hochachtend hangen,
Warum nicht auch, was da - also umfangen?!

So merk' es denn, du eitle Gegenwart,
Ich sag' es dir: du bist in dir so hart,
Erkennest nicht bei dir den Siegelring;
Er scheint dir, wie dem Aug' ein nichtig Ding,
Doch so des Fürsten Ring du hältst in Ehren,
Der sich doch pflegt nach Weltlichem zu kehren,
O sieh', wie magst du dich denn so bethören,
So schwach in Meinem Ringe Mich zu ehren!

Ist auch an sich schon jeder Siegelring
Ein nichtig unbedeutend kleines Ding,
So ist doch Der, der selben braucht und führt,
Erhaben hoch und voll der höchsten Würd';
Die da demnach den Fürsten ehren wollen,
Die müssen auch dem Ringe Achtung zollen,
So aber Jemand möcht' dem Ringe grollen,
Wird der nicht auch des Fürsten Ehre schmollen?

Es sei, und wär' der Ring von schlechtem Erz,
Gesteckt an Meinen Finger durch das Herz,
Er ist es nicht, wohl aber Der ihn trägt,
Doch werth, daß man für's Siegel Achtung hegt!
Es soll darum da Niemand weise streiten,
Nicht betend gar zu Meinem Ringe schreiten;
Doch einem Ringe trübe Zeit bereiten,
Dadurch wird Niemand viel von Mir erbeuten! -

Was da gesagt, dem biete Niemand Trutz,
Wohl aber mach' sich Jeder solch's zu Nutz'!
Kannst du nicht achten, was dein Auge sieht,
Wie ehren dann, das stets dein Auge flieht?
Was da von Mir zum Ringe ist gestaltet
(Ist er auch, gleich dem Moses nicht, veraltet),
So wird durch ihn doch Alles neu umstaltet,
So da durch ihn die Lieb' der Liebe waltet!
Amen.
Anmerkung.
(Auf die Bitte des Knechts um Aufklärung des Sinnes vorstehenden Gedichtes.)
Ich sage dir: du und der Siegelring habt mit einander nichts zu thun, außer,
daß durch dich dieser neue Siegelring aus Mir gegeben wird.
Der Siegelring aber ist das Wort und nicht du! selbst dann nicht, wann Ich rede durch deinen Geist mit deiner Zunge. Daher hat die ausgesprochene Achtung auch nichts mit dir, sondern allein mit dem Worte zu thun. Damit aber ein Jeder solches verstehe wohl und genau, so solle er wissen, daß unter einem "Profeten" nie dessen Person und Wesenheit, sonder allein Ich in dem Worte verstanden werde; ist aber auch das Wort selbst an und für sich Meine eigentliche Wesenheit nicht, so ist es aber doch der darin euch, oder auch allen andern Menschen, geoffenbarte Wille aus Mir, dargestellt zur Beschauung, entweder durch Worte aus dem Munde eines von Mir dazu berufenen Menschen, oder durch Zeichen, die er entweder selbst aufzeichnet, oder von jemand Anderem aufzeichnen läßt. Der Wille ist ja demnach der Siegelring, aber nicht der, der Mir dient, selbst nur zum Werkzeuge! Also ist ja das gegenwärtige Wort, welches Ich durch dich nun zur Erde hinabsenke, der vorstehende Siegelring, aber nicht du; dieses ist vom selben Finger, wie das zur Zeit Mosis. Moses aber mußte sein Gesicht verhüllen, um anzuzeigen, daß da nicht er, sondern allein Ich im Worte und Gesetze der alleinige Profet bin, und nicht er.
Wenn aber Moses solches thun mußte, wie kann es dir demnach auch nur im Traume einfallen, den Siegelring auf deine Person zu beziehen. Siehe, wie blind du für deine Person auch n9ch bist, trotz allem Dem, was du schon vernommen hast! Daß Ich aber solches mehr für dich, als Jemand Andern gab, hast du also zu verstehen, weil eben du selbst über so manche Gabe aus Mir nicht im Reinen warst, und so manchen Punkt weniger beachtetest für dich, denn die Anderen für sich!
Siehe, darum auch habe Ich den "Siegelring" also gestellet, daß deß Sinn aussieht, als bezöge er sich auf deine Persönlichkeit; um dir dadurch einen neuen Probirstein für dich selbst zu geben, auf welchem du das Gold deiner Erkenntniß prüfen sollest, ob es probehältig ist für das, was Ich tagtäglich durch dich gehen lasse. Wenn aber du bei mir so manchmal den Ring getrübt hast, welche Beute soll dir selbst dereinst denn werden aus ihm? O sieh, das haben auch manche andere Berufene gethan, und haben über das Empfangene gegrübelt, während sie es vor Allem hätten ausüben sollen durch den allerlebendigsten Glauben (Johs. 7, 17), und Ich habe ihnen darum ähnliche, ja noch viel stärkere Fallen gelegt. Die, welche da sich, wie du jetzt, an Mich gewendet haben, denen habe Ich auch sobald die Lösung gegeben, die aber das auf die eigene Person nahmen, denen ging es am Ende wie dem weisen Salomo.
Demnach also bezeichnet der Siegelring das neue Wort, wie es äußerlich scheint, das zwar Niemand an sich anbeten sollte, aber achten noch in Allem und Jedem, darum es ist ein wahrer Siegelring an Meinem Finger der Erbarmung, gesteckt durch's Herz, oder durch Meine große Barmliebe! Verstehe nun solches wohl; denn Ich habe es darum vorderhand ja auch nur dir gegeben, darum du solches auch also fassen sollest, wie dir nach Jeder im gerechten Sinne. Das sage Ich, die ewige Wahrheit und Weisheit.
Amen, Amen, Amen!
[[PsG.01_049]